×

Flamen und Wallonen – warum das Zusammenleben oft so schwierig ist

Um dieser Sache auf den Grund zu gehen, ist ein kleiner Exkurs in die Geschichte Belgiens vonnöten. Als im 16. Jahrhundert die Auseinandersetzung um den katholischen Glauben angeheizt wurde, widersetzte sich die nördliche Niederlande zunächst erfolgreich dem Katholizismus der Habsburger und folgte dem protestantischen Glauben Martin Luthers.

Die südlichen Niederlanden und damit das Gebiet des heutigen Belgien ging zurück an die Spanischen Niederlanden und somit die Habsburger.

Nachdem Napoleon bei der Schlacht in Waterloo unterlag, fand der Wiener Kongress zur Neuordnung Europas statt – und damit die Begründung des Königreiches der Vereinigten Niederlande, als „Puffer“ zwischen Frankreich und Preußen. Somit wurden die Nördliche Niederlande und die Südliche Niederlande wieder vereint. Dem neuen König, Wilhelm I von Oranien war allerdings kein langes Dasein als solcher beschieden – der protestantische Monarch herrschte autoritär und zog damit den Groll der katholischen Bevölkerung im Süden auf sich.

Ein gemeinsames Ziel - vorerst 

Nachdem es immer wieder zu Zwischenfällen gekommen war, brach schließlich um 1830 die Belgische Revolution aus. Als Auslöser gilt übrigens die Aufführung der Oper "Die Stumme von Portici" von Daniel-François-Esprit Auber im Brüsseler Theater La Monnaie. Diese handelt vom Volksaufstand der Neapolitaner gegen die spanischen Unterdrücker. Angeblich soll die Stimmung  des Publikums während des dritten Akts des Stückes eskaliert sein, als der Tenor die Zeilen "Laufet zur Rache! Die Waffen, das Feuer! Auf dass unsere Wachsamkeit unserem Leid ein Ende bereite!" zum Besten gab. Der Volksaufstand nahm seinen Anfang. Kaum einen Monat später waren die niederländischen Truppen vertrieben und man verkündete am 4. Oktober 1830 die Unabhängigkeit.  

Doch während es bisher ein gemeinsames Ziel der Belgier gegeben hatte, musste das junge Belgien fortan mit internen Reibereien kämpfen, die auch knapp zwei Jahrhunderte später noch nicht beigelegt sein sollten. Der niederländisch geprägte Teil im Norden und der französisch geprägte Teil im Süden des Landes sind bis heute keineswegs zu einer Einheit geworden.

Der erste König Belgiens, Leopold I, machte kein Geheimnis aus seiner Verachtung den Flamen gegenüber. Zwar gab er sich stets liberal, jedoch bekam die flämische Bevölkerung seine harte Hand am ehesten zu spüren. Obwohl eine knappe Mehrheit der Belgier damals niederländisch sprach, wurde französisch die alleinige Sprache offizieller Verwaltungsangelegenheiten. Auch wurden Kinder nach der Grundschule ausschließlich in und auf französisch unterrichtet, da die niederländische Sprache vom Parlament als Dialektsammlung angesehen und nicht als  eigenständige Sprache anerkannt wurde. Zudem waren es vor allem die gebildeten und höhergestellten Schichten der Gesellschaft, die französisch sprachen (auch in Flandern), während Niederländisch vor allem die Sprache der einfachen Leute und Arbeiter war.  

Video: Flamen und Wallonen vereint beim Bier

Unterdrückung der Flamen und erste Kompromisse 

Allein diese Tatsache stieß bei einem Großteil der flämischen Bevölkerung auf Unmut und es begann sich langsam Widerstand, die Flämische Bewegung, zu bilden, welche die Einführung von Niederländisch an Universitäten, Schulen und Behörden forderte. Die wallonischen Bildungsbürger hielten dagegen; sie waren nicht bereit dazu, die französische Sprache gegen ein zweisprachiges  Belgien einzutauschen. Bevor es allerdings zu einer Einigung kam, brach der Erste Weltkrieg aus, der das Verhältnis zwischen Wallonen und Flamen nicht verbessern sollte.

Ab dem Ersten Weltkrieg wurde aus dem Sprachkonflikt auch ein sozialer und politischer Konflikt, da Teile der Flamen mit der reichsdeutschen Besatzungsmacht zusammengearbeitet haben sollen. Hingegen wurden von flämischer Seite immer wieder Vorwürfe laut, dass es aufgrund der Sprachbarriere an der Front unnötige Todesopfer gegeben hatte.

Nach Ende des Krieges konnten erstmals einige Kompromisse geschlossen werden, die der Gleichberechtigung zu Gute kommen sollten – einer davon war die Einführung der niederländischen Sprache an der Universität Gent um 1930.

Aber nicht nur die Sprache barg Einiges an Konfliktpotential – auch wirtschaftlich gibt es seit jeher Unterschiede zwischen den Regionen. So war Wallonien bis ins 20. Jahrhundert hinein aufgrund seiner Textil- und Montanindustrie stets der bessergestellte Teil Belgiens, während in Flandern  zunächst hauptsächlich Landwirtschaft betrieben wurde. Erst in den 60er jahren kam mit dem Strukturwandel und großen Investitionen in die Hafenregionen Flanderns die Wende. Während Wallonien mit dem Niedergang seiner Wirtschaft kämpft, blüht Flandern auch aufgrund seiner gut ausgebildeten Arbeiter und Standortvorteile auf. Die eigentliche Spaltung Belgiens beginnt um 1970. Man blockiert eher als dass man miteinander spricht – teilweise bis heute.

Auch jetzt noch ziehen die Differenzen der Regionen Flandern und Wallonien große Kreise. Beide Regionen wünschen sich mehr Autonomie und Verwaltungsfreiheiten. Gerade in Flandern wird der Ruf nach einer vollständigen Unabhängigkeit aktuell immer lauter.

Allgemeine Gesetze für ganz Belgien werden nach wie vor im Parlament in Brüssel verabschiedet. Daneben gibt es allerdings in jeder Region noch jeweils ein eigenes Parlament, das zuständig für  alles ist, was auf dem eigenen Grund und Boden passiert, wie beispielsweise Infrastruktur oder auch landwirtschaftliche Vorgaben. Zusätzlich dazu gibt es noch je ein Parlament für Gemeinschaftsangelegenheiten, welches unter anderem mit schulischen Belangen betraut ist. Die Politik in Belgien könnte also viel komplizierter nicht sein und hinter alledem stecken Menschen, ihre persönlichen Geschichten und ihre individuellen Belange. Mittlerweile sprechen manche  Experten bereits von einer Verselbstständigung der Regionalisierung in Belgien. Ob Spaltung jedoch die richtige Wahl ist, um mit Problemen umzugehen, werden die nächsten Jahre zeigen –  langweilig wird die belgische Politik jedenfalls ganz sicher nicht. Buchen Sie ein Ferienhaus in Belgien und erkunden Sie die spannende Geschichte.

Diese Reportagen werden Sie auch interessieren:

Bellewaerde – Belgiens ältester Freizeitpark

Bellewaerde – Belgiens ältester Freizeitpark

Brüssel – Stadt der Diplomaten und Journalisten

Brüssel – Stadt der Diplomaten und Journalisten

Deiche, Polder und Co. - Belgiens Kampf mit dem Meer

Deiche, Polder und Co. - Belgiens Kampf mit dem Meer

Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel

Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel

Ferienhaus-Belgien.de

Ferienhaus-Belgien.de

Wir bieten Ihnen exklusive Ferienhäuser und Ferienwohnungen an den beliebtesten Orten und in den schönsten Regionen Belgiens an, darunter die naturschönen Ardennen, die kilometerlange Küste Belgiens und das facettenreiche Flandern.

Ferienhäuser in Belgien